EU-Wahl: Enttäuschung und letzter Weckruf?

Lothar Schäfer, Jan Henrich, Werner Spies und Peter Kreutzer am Wahlkampfstand in Holzhausen!

Ergebnisse der Europawahl: Die SPD muss die Zeichen jetzt erkennen!

Ein Kommentar von Jan Henrich:

Es war zwar keine große Überraschung, aber doch eine ziemlich gewaltige Enttäuschung, als sich am Sonntagabend um 18 Uhr abzeichnete, dass die SPD ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl erreicht hatte: Zwischen 15 und 16% der WählerInnen haben der SPD ihre Stimme geschenkt. Eine deutliche Ohrfeige, die sich sicherlich nicht nur und nicht vorrangig auf die EU-Politik der S&D-Fraktion, zu der die SPD im Europäischen Parlament gehört, zurückbeziehen lässt. Im Gegenteil: Wahlveranstaltungen, Diskussionsrunden und Gespräche am Wahlkampfstand haben deutlich gemacht, dass die Menschen vor Ort vor allem die Bundesregierung und die (nicht mehr ganz so) Große Koalition in Berlin satt haben; mir geht es genau so!

In Greifenstein haben wir (noch) keine ostdeutschen Verhältnisse. Wir haben auch keine Verhältnisse, wie wir sie in vielen deutschen Großstädten erleben. Die SPD ist im Lahn-Dill-Kreis und in Greifenstein fest verwurzelt. Sie konnte daher – hier wie dort – noch über 20% der Stimmen gewinnen. Im Vergleich zu vergangenen Ergebnissen natürlich kein Grund zum Feiern, aber doch beachtenswert, wenn man die Ergebnisse im Rest der Republik anschaut. Nur muss klar sein: Es wird nicht ewig so weitergehen. Bei jeder der vergangenen Wahlen musste man an Wahlkampfständen und in Gesprächen mit Freundinnen und Freunden, die an den Wahlen interessiert sind/waren, merken, dass der Berliner Gegenwind übermächtig ist, dass lokale, regionale oder Länderthemen nicht durchdringen können. Das Problem ist frustrierend und kann eben auf lokaler, regionaler oder Länderebene kaum behoben werden.

Eine Koalition zwingt immer zu Zugeständnissen, das ist jedem klar. Wenn aber die beiden großen Parteien unserer Landesgeschichte ihren Markenkern immer weiter aushöhlen, indem sie eine Politik des großen Kompromisses betreiben, der langfristig keine WählerInnen überzeugen kann, dann sind die Stimmenverluste (die es auch bei der CDU längst gibt) keine Überraschung, sie sind vielmehr logische Notwendigkeit. Kein/e CDU-WählerIn und kein/e SPD-WählerIn wird mit Überzeugung sagen können, dass die Politik der Großen Koalition Menschen mitreißt oder dazu bringt, einer der Koalitionsparteien die Stimme zu geben. Dieses Bündnis hat sich überlebt! Beim vergangenen Mitgliedervotum waren – auch unter dem Eindruck der Worte unseres Bundespräsidenten – noch mehr SPD-Mitglieder für die GroKo, als gegen sie waren. Ich bin sicher, dass es spätestens heute anders aussieht.

Wenn die SPD sich nicht aus den Zwängen einer Koalition befreit, in der sie keine wirklich konsequente sozialdemokratische Politik machen kann, sondern jeder kleine Erfolg, jeder richtige Schritt wieder aufgehoben und aufgewogen wird durch zwei negative Schlagzeilen, dann wird sie auch weiter Wahlen verlieren. Vielleicht mag es für die Landtagswahlen im Osten des Landes im Herbst ohnehin schon zu spät sein. Das darf aber kein mehr Grund sein, um notwendige personelle und strategische Neuausrichtungen noch weiter aufzuschieben. Die SPD hat keine Zeit mehr. Wir müssen jetzt den Aufbruch wagen und uns wirklich neu aufstellen. Das mag dann dazu führen, dass die unmittelbar nächsten Wahlen auch verloren gehen, weil wir als Partei dann eine große Baustelle darstellen, aber wir müssen das langsame Siechtum beenden und unsere Chance nutzen. Die Chance, den Menschen zu zeigen, dass die SPD die Zeichen erkannt hat und einen radikalen Kurswechsel anstrebt!