Heringsessen der Greifensteiner SPD am Aschermittwoch!
Die meisten Parteien haben ihren politischen Aschermittwoch, wobei man bei den Bierzeltreden manchmal nicht weiß, ob noch Karneval ist oder die geistige Fastenzeit schon begonnen hat. Die Greifensteiner SPD hat es sich zur Tradition gemacht, dass sie an Aschermittwoch zum Heringsessen einlädt – nicht um den politischen Kater zu vertreiben, sondern um bei gutem Essen und Trinken miteinander und mit Gästen über Politik und viel mehr zu reden. Zum ersten Mal seit über zehn Jahren fand die wie immer gut besuchte Veranstaltung wieder einmal in Beilstein statt, wie Ortsvereinsvorsitzender Werner Spies bei der Begrüßung sagte. In diesem Jahr, wo weder im Land noch in der Kommune Wahlen anstehen, ist die Europawahl von besonderer Bedeutung, bei der Alle aufgerufen sind, Europa nicht den Nationalisten und Populisten zu überlassen, die es nur schwächen und zerstören wollen. Dass die SPD wieder im Aufwind ist, ist auch ihrem geschärften sozialen Profil zu verdanken. Am Schluss seiner kurzen Ansprache gab Werner Spies den Anwesenden noch ein paar Zahlen zum Nachdenken mit: Die CDU will den Soli auch für die oberen Einkommensklassen abschaffen, was ungefähr dreimal so viel kostet wie die solidarische Grundrente, die Hubertus Heil einführen will. Die ist aber nach dem Verständnis der CDU zu teuer und nicht finanzierbar.
Eine Tradition bleibt aber unabhängig vom Veranstaltungsort bestehen: Landrat Wolfgang Schuster machte auf dem Heimweg Station in seiner Nachbargemeinde und hatte wie immer ein sehr gutes und nachdenklich machendes Grußwort dabei, das auch später noch zu zu Gesprächen und Kommentaren Anlass gab. Er begann mit einem Rückblick: Vor hundert Jahren, zwischen dem Ende des 1. Weltkrieges und dem Friedensvertrag von Versailles, wurde in Deutschland unter dem SPD Reichspräsidenten Friedrich Ebert das aktive und passive Frauenwahlrecht eingeführt, es wurden freie Gewerkschaften und Betriebsräte zugelassen und die Tarifautonomie inklusive Streikrecht gesetzlich begründet, es gab von da an gesetzliche und durch Tarifverträge abgesicherte Arbeitszeit- und Lohnvereinbarungen. Heute wird an vielen Stellen immer noch oder wieder versucht, das Rad auf die eine oder andere Weise zurück zu drehen. Gerade Frauen sind oft die Betroffenen, die sowohl bei der Arbeitszeit wie beim Lohn und damit auch später bei der Rente benachteiligt sind.
Ein anderer Punkt, den er mit Zahlen aus der Region sehr gut belegte, war die Abhängigkeit unseres Wohlstandes von einem funktionierenden Europa. Durch den hohen Anteil an produzierender Wirtschaft im Kreis sind derzeit rund 20.000 Arbeitsplätze – oder wenn man Familienangehörige mitrechnet – über 60.000 Menschen von der Exportwirtschaft abhängig. Wenn, wie es viele Populisten und Nationalisten gerne hätten, die nationalen Grenzen in Europa wieder aufgerichtet werden, werden nicht nur Menschen, sondern auch Waren aufgehalten und die Wirtschaftsbeziehungen geschwächt. Trump oder Putin würden natürlich lieber mit 28 schwachen Staaten als mit einem einigen und wirtschaftlich starken Europa verhandeln.
Ganz persönlich sagte Wolfgang Schuster, dass sein Großvater bis zu seinem Ende mit einer Kugel aus dem ersten Weltkrieg im Kopf leben musste und sein Vater nie über seine Erlebnisse im zweiten Weltkrieg gesprochen habe und er und seine Generation die ersten waren, die in ihrem ganzen Leben niemals Krieg gegen die europäischen Nachbarn führen mussten. Diejenigen, die auf komplizierte europäische Fragen einfache nationale Antworten hätten, wollten nur von dem dadurch ausgelösten Chaos profitieren. Deshalb sei es auch wichtig, bei den Europawahlen die demokratischen und proeuropäischen Kräfte zu stärken.
Bei gutem Essen und in lockerer Tischrunde gab es an diesem Abend noch viel Anlass für interessante Gespräche und Diskussionen.
Ein Bericht von Dr. Klaus Schmidt.
