
Verwirrungen um die Ansiedlung von Märkten im Ortsteil Beilstein gab es in der Gemeinde Greifenstein zuhauf. Gerüchte sind zahlreich vorhanden, konkrete Antworten auf klare Fragen eher eine Seltenheit. Nicht nur die breite Öffentlichkeit, sondern auch die gemeindlichen Gremien oder die politischen Parteien erhielten Informationen selten aus erster Hand. Dr. Klaus Schmidt (SPD), Mitglied im Ortsbeirat Beilstein, mit einem Erklärungsversuch:
Die Vergangenheit – Versuche zur Ansiedlung hat es gegeben!
Vorweg: Seit fast 25 Jahren bin ich im Beilsteiner Ortsbeirat und habe das ganze Drama – oder besser die Tragikomödie – um die Einkaufsmöglichkeiten mitbekommen und politisch begleitet. Seit der Edeka-Markt und seine kurzlebigen Nachfolger in Beilstein geschlossen hatten, gab es immer noch Bäcker, Metzger, Apotheke, Drogerie (Schlecker bis zur Pleite) und einige kleinere Läden (Tee, Geschenke usw.) in Beilstein. Trotzdem setzte sich der Ortsbeirat in wechselnder Zusammensetzung und mit verschiedenen Ortsvorstehern einhellig und über alle Parteigrenzen hinweg für eine Einkaufsmöglichkeit, egal ob Vollsortimenter, Discounter oder beides, im größten Ortsteil der Gemeinde ein. Alle Bürgermeister und Gemeindevorstände haben auch immer wieder, oft gemeinsam mit Unternehmern aus der Region, versucht entsprechende Ansiedlungen zu fördern und zu veranlassen. Der letzte Versuch war eine Tankstelle mit Lebensmittel- und Getränkemarkt auf dem jetzt ausgewiesenen Gebiet am Bahnhof. Die Planungen fanden jeweils die Zustimmung der Gremien und der Verwaltung und scheiterten also nicht an irgendwelchen politischen Widerständen oder Kirchturmdenken, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen.
Die jüngere Vergangenheit – „Windige Investoren“ als Luftnummer?
Aktueller: Sehr verwunderlich war es dann, dass plötzlich ein angeblicher Investor aus Köln auftrat, der unaufgefordert für das in Frage kommende Grundstück das Dreifache des ortsüblichen Preises bot und angeblich gleich mehrere große Handelsketten als Interessenten hatte. Bei Vielen in der Gemeinde, auch in Vorstand und Verwaltung, bewirkte das wohl, dass der gesunde Menschenverstand und jedes kaufmännische Denken durch blinkende €-Zeichen ausgelöscht wurden, was bei der finanziellen Lage der Gemeinde vielleicht verständlich ist. Jedenfalls hielt es lange Zeit niemand für nötig, die Bonität des Investors in Frage zu stellen oder wenigstens zu überprüfen. Als das doch Mitglieder der SPD-Fraktion taten, wurde das als Verhinderungsstrategie und feindseliges Verhalten gegen Beilstein bezeichnet. Ich war damals Mitglied des Wirtschaftsausschusses und später auch Vorsitzender und sprach mich dafür aus, den Investor seine Pläne entwickeln zu lassen, ohne dass die Gemeinde finanzielle und andere Vorleistungen wie eine Änderung des Bebauungsplanes in Holzhausen erbringen sollte, ehe ein konkretes Ergebnis und fertige Verträge vorlagen. Die Hinhaltetaktik des angeblichen Investors führte schließlich dazu, dass sich die Gemeindevertretung dann mehrheitlich gegen eine weitere Fristverlängerung aussprach, zumal sich die Aussagen der genannten Handelsketten und des Investors in wesentlichen Punkten widersprachen. Inzwischen waren die Rewe-Märkte in Mengerskirchen und Herborn aus- bzw. neu gebaut und Aldi hatte in Sinn schon einen Antrag auf Betriebserweiterung laufen, Netto in Driedorf eröffnet und Edeka den Neubau in Sinn begonnen, der inzwischen auch gut läuft. Jeder Mensch mit Spuren einer kaufmännischen Bildung und wirtschaftlichen Denkens musste ab diesem Zeitpunkt einsehen, dass die sogenannten Interessenten nur noch den Standort Beilstein für die jeweilige Konkurrenz blockieren wollten, ohne jemals selbst zu investieren.
Die Gegenwart – Ulmtal und „Westerwalddörfer“ werden aufgehetzt!
Zu diesem Zeitpunkt nahm die ULfG mit populistischen Parolen gegen die Parteien in der Gemeindevertretung, besonders die SPD, richtig Schwung auf, um den durchaus um ihren Ort besorgten Bürgern vorzuspielen, dass per Bürgerentscheid ein Discounter und ein Vollsortimenter gegen die bösen SPD-Vertreter aus dem Ulmtal an den Standort Beilstein geholt werden könnte. Dabei hätte es jedem klar sein müssen, dass sich solche Großkonzerne einen feuchten Dreck um den Bürgerentscheid eines „Westerwalddorfes“ kümmern. Als neue Verschwörungstheorie macht jetzt die Runde, dass SPD-Leute bei den Konzernen gegen einen Vertragsabschluss Stimmung machten. Für solche Entscheidungen in den Firmen sind wirtschaftliche Kennzahlen und nicht ziemlich macht- und einflusslose Lokalpolitiker („Sorry Genossen!“) ausschlaggebend.
Die Zukunft – Wann wird gehandelt und wo ist „Plan B“?
So ist auch der angebliche ganz geheime „Plan B“, der nun Anfang 2017 (vielleicht nach islamischem Kalender, der etwas mehr als 600 Jahre hinter unserer Zeitrechnung liegt) von den Projektentwicklern vorgestellt werden sollte. Seit dem Bürgerentscheid sind fast zwei Jahre vergangen, die Gemeinde hat den Bebauungsplan zum Schaden des Standortes Holzhausen geändert ohne eine verbindliche Zusage für Beilstein, obwohl doch nach den Aussagen der ULfG sofort die Bagger anrücken könnten, wenn die SPD die Ansiedlung nicht mehr blockiert, Beilstein hat einen Laden im ehemaligen Bahnhof weniger (Danke ULfG: Make Beilstein great again) und passiert ist nichts, außer dass die Gemeinde auf den Planungskosten sitzen geblieben ist. Ich glaube gerne, dass die Beilsteiner Investoren sich intensiv um eine Lösung bemühen – schließlich haben sie viel Arbeit und Geld in das Projekt investiert und ihnen wünsche ich viel Erfolg, egal für welche Lösung. Doch in der Antwort auf die Anfrage von Edgar Haas hatte der Vorstand darum gebeten, sich nicht an die Investoren zu wenden, bis – angeblich Ende Januar – ein Ergebnis vorliegen sollte. Alle Fraktionen haben sich daran gehalten, bis auf eine, die im Januar mit einem Flyer über angebliche Verhandlungen in die Öffentlichkeit geht. Das war aber diesmal nicht die böse SPD.
Was übrig bleibt – eine zum Teil gespaltene Gemeinde ohne Ergebnis!
Der Januar ist rum und die angekündigten Pläne sind immer noch nicht in Sicht, dabei lagen doch schon zu Zeiten des Bürgerentscheids angeblich unterschriftsreife Pläne vor. Die leeren Versprechungen der „Politprofis“, dass sie es schaffen, hier schnellstmöglich einen Discounter und einen Vollsortimenter anzusiedeln, werden sich auch diesmal nicht erfüllen. Hier sind nämlich keine großen Worte und öffentlichen Ankündigungen mit anschließenden Schuldzuweisungen gefragt, sondern wirtschaftlicher und kaufmännischer Sachverstand. Davon habe ich weder in den Äußerungen von ULfG noch in der Antwort des Gemeindevorstandes oder als Mitglied des Akteneinsichtsausschusses in den bisherigen Verhandlungen der Gemeinde noch nicht einmal Spuren gefunden. Ich bin auf die öffentliche Diskussion in der Gemeindevertretung und die neuen Ausreden bei der erneuten Anfrage gespannt. Für die Situation gibt es eigentlich nur die Erklärung in einem alten Gedicht von Eugen Roth:
Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet,
bemerkte, dass ihm dies missriet.
Doch weil er es hat selbst gebraten,
tat er, als sei es ihm geraten
und aß mit sichtlichem Vergnügen
um sich nicht selbst zu strafen Lügen.
Das sage ich auch immer Beilsteinern, die mich nach dem Stand der Dinge fragen, und dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Ein Beitrag von Dr. Klaus Schmidt, Beilstein