
Unter dem Motto „Kompetenz für Greifenstein“ geht die SPD in den Kommunalwahlkampf. Was darunter zu verstehen ist, zeigte sie gleich am ersten Themenabend. Auf der – nicht nur von SPD-Mitgliedern – gut besuchten Veranstaltung im Gasthaus Held in Beilstein sprach Herr Dr. Frank Schmidt, Bürgermeister der Nachbargemeinde Löhnberg darüber, wie eine Gemeinde, die unter dem Schutzschirm steht, ihre finanzielle Handlungsfähigkeit behalten kann.
Dr. Frank Schmidt ist seit 2008 Bürgermeister der Gemeinde Löhnberg, davor war er Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Aber auch während dieser Zeit hat er seine kommunalpolitischen Wurzeln nie abgeschnitten. Als langjähriger Fraktionsvorsitzender der SPD im Kreis Limburg-Weilburg hat er immer die Kontakte zur Kommunalpolitik erhalten.
Als Bürgermeister hat er eine Gemeinde mit Schulden und Problemen übernommen, die etliche Baustellen – dies ist auch wörtlich zu nehmen – zu stemmen hatte. Daher hat er zuerst einmal mit der Finanzabteilung alle Einnahmen und Ausgaben genau überprüft, um zu analysieren, wo die größten Kosten verursacht wurden. Der Entschluss, die Gemeinde unter den Schutzschirm zur Reduzierung der Schulden zu bringen, wurde dann nicht aus Begeisterung für den Schutzschirm gefasst, sondern weil so wenigstens ein Teil der Ausfälle, die das Land bei dem kommnunalen Finanzausgleich verursacht hatte, wieder ausgeglichen wurden. Die Restriktionen, die der Schutzschirm für die Gemeinde bewirkte, trafen schon ein Jahr später alle anderen Gemeinden auch in gleichem Umfang.
Aber wie kann dann eine Gemeinde in wenigen Jahren 20 Millionen Euro investieren? Dazu gehört Mut, Durchsetzungsvermögen gegenüber der Kommunalaufsicht und vor allem auch eine solide Finanzierung. Zuerst einmal wurden sämtliche gemeindeeigenen Immobilien in eine GmbH ausgegliedert, die sie wirtschaftlich verwaltet und unterhält. Damit dadurch keine Verluste heimlich angehäuft werden, wird der Verlustausgleich jedes Jahr in den kommunalen Haushalt eingestellt.
Frank Schmidt machte am Beispiel der Kindergärten deutlich, wie es möglich ist, kostenbewusst zu investieren. Trotz Schutzschirm erhebt die Gemeinde keine Kindergartengebühren. Bei Amtsantritt gab es zwei Kindergärten ohne Krippengruppen, altersübergreifende Gruppen und Ganztagsbetreuung. Zuerst wurden die beiden kommunalen Kindergärten ausgebaut, energetisch saniert (ein großer Kostenfaktor) und das Betreuungsangebot erweitert und dadurch attraktiver gemacht. Für all diese Arbeiten wurden, soweit möglich, öffentliche Zuschüsse des Landes und Fördermittel in Anspruch genommen. Dadurch kamen auch mehr junge Familien in die Gemeinde und die Kindergärten sind ausgelastet. Weil Eltern, wenn die Beiträge nach Betreuungszeiten gestaffelt sind, weniger Leistungen in Anspruch nehmen und eventuell sogar wegziehen, rechnet es sich für die Gemeinde sehr wohl, wenn sie Familien die Möglichkeit gibt, Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren.
Ein anderes Beispiel: Die gemeindeeigene Volkshalle war nie ausgelastet und zudem sanierungsbedürftig. Es wurde beschlossen, sie in ein Mehrgenerationenhaus umzubauen, auch wenn einige Vereine gegen die Aufgabe der Volkshalle waren und es einige Diskussionen gab. So ergibt sich im Ort eine senioren- und behindertengerechte Wohnmöglichkeit, die in Zeiten des demographischen Wandels immer wichtiger wird. Löhnberg hat, im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden der Region, einen Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen, was sicher auch diesen Maßnahmen zu verdanken ist. Im Ortskern liegt der Leerstand, im Gegensatz zu vielen Orten, unter 1%!
Ein weiteres Beispiel, das Mut und Durchsetzungsvermögen erforderte, war der Umgang mit Flüchtlingen. Löhnberg hat durchgesetzt, dass alle Flüchtlinge per Zwangszuweisung direkt an die Gemeinde überstellt werden. Alle werden in gemeindeeigenen Gebäuden untergebracht und betreut. Dafür werden der Gemeinde auch die Kosten für die Unterbringung und die Betreuung durch Sozialarbeiter ersetzt. Für fünfzig Flüchtlinge ist dann ein Sozialarbeiter zuständig, der sich dann auch um die Menschen kümmern kann. Die Häuser liegen mindestens 100m voneinander entfernt, um eine mögliche „Ghettobildung“ zu vermeiden. Private Betreiber, die oft noch nicht einmal vor Ort wohnen und die Unterkünfte nur aus kommerziellen Gründen betreiben, bleiben außen vor.
So hat die Gemeinde den Überblick und erfährt nicht, wie bei uns, oft einige Tage später mehr oder weniger zufällig, ob und wo Flüchtlinge untergekommen sind. Dies vermindert bzw. vermeidet die Probleme, die in anderen Gemeinden auftreten weitgehend und die ehrenamtlichen Helfer können sich auf das das konzentrieren, was sie wirklich machen wollen und können, nämlich Deutschunterricht und ähnliche integrative Aktivitäten. Die Frage der Betreuung, vom Transport bis zu Behördengängen oder medizinische Versorgung, liegt bei der Gemeinde, die dadurch, dass auch die Kosten für Unterbringung usw. direkt an die Gemeinde gehen, finanziell nicht schlechter da steht, aber dafür auch die Kontrolle darüber hat, wer wohin kommt und wie die Menschen untergebracht werden.
Dr. Frank Schmidt machte auch an vielen anderen Beispielen von den Dorfgemeinschaftshäusern bis zu den Sportanlagen deutlich, dass es keinen Sinn macht, auf Kosten der Substanz zu sparen oder notwendige und sinnvolle Investitionen zu unterlassen oder zu verschieben, sondern dass immer gefragt werden sollte: Was kostet die Maßnahme und was spare ich im Gegenzug ein bzw. was kostet es, wenn ich jetzt nichts tue? Löhnberg scheint mit dieser Methode auf dem richtigen Weg zu sein, denn die Gemeinde hat inzwischen nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt, sondern baut auch Schulden ab. Sie wird wahrscheinlich die erste Gemeinde sein, die wieder aus dem Schutzschirm entlassen wird.
Für uns als Flächengemeinde mit 10 Ortsteilen gegenüber 4 von Löhnberg lässt sich das Konzept natürlich nicht einfach übernehmen. Was wir aber übernehmen können, ist der Mut zum kostenbewussten Handeln, zu Investitionen in die Zukunft, statt die Gemeinde kaputt zu sparen und ständig aus Angst vor jetzt notwendigen Schulden so lange auf Verschleiß zu fahren, bis nichts mehr zu retten und zu bezahlen ist. Nur eine attraktive Gemeinde kann dem Bevölkerungsverlust und damit der Verarmung und dem Verfall entgegen arbeiten.
Ein Bericht von Dr. Klaus Schmidt (Beilstein)